Die ‚šistdesjatnyky’ des sowjetukrainischen Films: Literaturverfilmungen im Ukrainischen Poetischen Kino der 1960er- und 1970er-Jahre

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Oleksii Isakov

zur Person
Foto: Oleksii Isakov

Nach dem Tod von Iosif Stalin 1953 proklamierte der neue, aus der Ukraine stammende Parteichef Nikita Chruščev mit seinem „Tauwetter“-Programm die Unterstützung lokaler Sprachen und Kulturen in allen Sowjetrepubliken, insbesondere in der Ukraine. Als Folge dessen kristallisierte sich Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre eine neue Generation der sowjetischen und ukrainischen nationalen Intelligenzija heraus, die sich selbst als die „Sechziger“ (ukr. „šistdesjatnyky“) bezeichnete.

Diese Art liberaler künstlerischer Anschauung breitete sich auf mehrere Kulturbereiche aus, u. a. auch auf das sowjetukrainische Kino. Das geplante Dissertationsprojekt widmet sich der Nouvelle Vague im sowjetukrainischen Kino, die später als „Ukrainisches Poetisches Kino“ („ukrajin’ske poetyčne kino“) bezeichnet wird. Im Fokus der Recherche stehen insb. drei Filme aus dieser Periode, die eine Verfilmung ukrainischer Literatur vom Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts darstellen:

  • „Feuerpferde“ (ukr. „Tini zabutych predkiv“, 1964) von Sergei Paradžanov, basierend auf der gleichnamigen povist’ von Mychajlo Kocjubyns’kyj (1911);
  • „Kaminkreuz“ (ukr. „Kaminnyj Chrest“, 1968) von Leionid Osyka, basierend auf den Erzählungen „Kaminkreuz“ (ukr. „Kaminnyj Chrest“, 1899) und „Dieb“ (ukr. „Zlodij“, 1899) von Vasyl’ Stefanyk;
  • „Zachar Berkut“ (1971), ebenfalls von Leonid Osyka, basierend auf der gleichnamigen historischen povist‘ von Ivan Franko (1883).

Die Zusammenhänge und Konflikte zwischen den Filmen und deren jeweiligen literarischen Vorlagen werden im Rahmen dieser Arbeit interdisziplinär und komparatistisch analysiert. Im theoretischen Teil der Dissertation sollen die allgemeinen Tendenzen im sowjetischen Film der 1960er- und 1970er-Jahre sowie die sowjetische Kulturpolitik, v. a. zur Regierungszeit Chruščevs, erforscht werden. Außerdem sollen die Zusammenhänge zwischen dem Ukrainischen Poetischen Kino und der literarischen Poetik der Jahrhundertwende (19.-20. Jh.) analysiert werden. Der praktische Teil fokussiert auf die Analyse konkreter Narrative von Zeit und Raum, künstlerischer Symbolik sowie Genrespezifik in den erwähnten literarischen und filmischen Texten.